Break The Break! Ende der Sendepause.
„Man hat nur Angst, wenn man mit sich selber nicht einig ist.“
Hermann Hesse, deutscher Dichter
Wilhelm Busch sagt man nach, der Urheber einer Redensart zu sein, die in tausend abgewandelten Formen in aller Munde ist. Im modernen Sprachgebrauch wohl am ehesten bekannt als „Erstens kommt es immer anders und zweitens als man denkt!“
Jeder erlebt die Bestätigung dieser Lebensweisheit immer wieder. Rückwärts betrachtet sind diese Erlebnisse manchmal sogar amüsant. Meistens aber vor allen Dingen lehrreich. Und das nicht nur für denjenigen, dessen Erfahrungshorizont da gerade erweitert wurde, sondern auch für ganz viele Menschen, die man vielleicht vor dem Einschlagen eines ähnlichen Weges mit all seinen Konsequenzen bewahren könnte.
Genau deshalb plane ich, manch einer absolvierten Herausforderung des Lebens durch das Aufsetzen eines Blogeintrags ein bisschen Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Lesen, lachen, nicken, bedenken, leichter leben. Wenn dieser Plan auch nur bei ganz wenigen meiner Leser greift, bin ich meinem Ziel der Weltverbesserung schon ein Stückchen näher gekommen.
Aber bis dahin muss ich nur noch kurz die Welt retten. 148 Mails checken. Und werde dabei zum Opfer genau der eingangs genannten Regel. Vor lauter Erlebnissen, über die es sich zu schreiben lohnen würde, komme ich schon lange nicht mehr zum Schreiben.
Dabei werde ich jedoch nicht müde, es immer und immer wieder auf neuen Wegen zu versuchen, zum Schreiben zurückzukehren. Die von mir in den letzten Jahren häufig genutzten Zugfahrten scheiden für diesen Zweck inzwischen aus. Meine regelmäßigen Pendelfahrten zwischen meinem Wohnort und der Mainmetropole sind zu kurz geworden.
Es ist zwar alles beim Alten, und doch läuft alles irgendwie schneller. Früher empfand ich die Zugfahrt von Gernsheim nach Frankfurt als furchtbar lang. Was habe ich da alles für umfangreiche Texte zu Papier, sorry, Festplatte gebracht. Und heute? Muss ich ab und zu das in mir aufkommende Gefühl niederkämpfen, es würde sich gar nicht lohnen, das Notebook aufzuklappen, weil „ich bin ja eh gleich da“. Dabei dauert die Zugfahrt nach wie vor 45 Minuten, heute genauso wie früher.
Nur der Zug ist kleiner geworden. Moderner, aber dabei gleich dem Sparmaßnahmen angepasst, daher kürzer. Mit „besserer Raumausnutzung“, sprich enger. Über dieses Phänomen der unterschiedlich empfundenen Zugfahrt habe ich lange gegrübelt. Und tatsächlich geht mit Sicherheit ein Teil des veränderten Zeitgefühls darauf zurück, dass das Zufahren deutlich unbequemer geworden ist. Auf sehr vielen Fahrten habe ich schlicht gar nicht mehr den Platz, mein Notebook aufzuklappen. Und selbst wenn, wird man ständig angerempelt oder anderweitig unterbrochen, weil mein Roller, mein Rucksack oder auch nur meine Füße irgendwem im Weg sind. Zugfahren wurde im Wandel der Zeit zu einer richtigen Belastung.
Eins der Beispiele, mit denen sich dokumentieren lässt, dass „neu“ nicht immer auch „besser“ bedeutet. Ganz im Gegenteil in unserer heutigen, ohnehin nur noch auf Hektik und Egoismus ausgelegten Gesellschaft, fast jede Neuerung einen Einschnitt an Lebensqualität bedeutet. Und nun bin ich ja wahrhaftig kein Traditionalist. Ich stehe in konstantem Disput zu Vertretern jedweder konservativer Weltsicht. Aber meine Auffassung von Weiterentwicklung erwartet dennoch ein Rückbesinnen auf die wahren Werte des Lebens, statt denn einer nackten, zumeist sehr kurzfristigen Befriedigung der individuellen Wünsche.
Schon alleine diesem Punkt sollte ich einen eigenen Blogeintrag widmen. Der tägliche Blick in die Nachrichten liefert noch hundert weitere Themen. Heute früh saß ich vor dem Bildschirm und überflog die Schlagzeilen der vergangenen Nacht. In Israel wird gewählt. Nach 40 Jahren scheint erstmals die bestehende Regierungszusammensetzung echte Konkurrenz zu bekommen. Wenngleich der als Alternative zur Wahl stehende General genauso rechtsgesinnt eingestellt zu sein scheint. Wirkliche Bewegung zu Frieden in Nahost wäre unter dieser Regierung auch nicht zu erwarten. Überhaupt, wozu braucht ein Volk Gottes denn eigentlich eine solch mächtige Armee? Ist an dem berühmten Gleichnis des Pfarrers, der sich einen Blitzableiter auf den Kirchturm baut, doch etwas dran? Gott ist allmächtig, nur gesehen hat man ihn halt eben schon länger nicht mehr. Also muss der Mensch selbst Hand anlegen. Und am besten geht die Durchsetzung von Gottes Friedfertigkeit dann doch immer noch mit dem Griff zur Waffe.
Krieg und Vernichtung sind ohnehin gerade wieder im Trend. Ich brauchte nicht lange zu Scrollen, um mich durch die gerade aktuell in Aleppo aufgenommenen Fotos zu klicken. Aber natürlich ist das alles ja nur Propaganda der Flüchtlingsversteher. Offiziell fließt in Syrien weiterhin Milch und Honig in den Bächen. Überhaupt kein Grund, sich um die Region Sorgen zu machen.
Doch. Mache ich mir, denn das ist nicht wirklich weit von unser aller Haustür entfernt. Der Umfang unseres ganzen Planeten beträgt gerade mal 40.000 Kilometer. Der Tacho meines Autos zeigt mir an, dass ich damit schon fünfmal soweit gefahren bin. Weniger als 30% dieses kleinen im All herumhängenden Erdklumpen sind für Menschen begehbares Festland. Nur zwei Drittel dieser Fläche ist bewohnbar, der Rest ist lebensfeindliche Wüste und Eis. Und was macht der Mensch? Dieses Bisschen Fläche, auf dem und von dem er lebt, mit aller Nachhaltigkeit und Vorsatz kaputt!
Man stelle sich vor, der zweite Weltkrieg wäre mit den heutigen technischen Mitteln und vor allem der heutzutage verfügbaren Menge an Vernichtungsmitteln geführt worden. Welchen Abdruck hätte der Mensch in der Landschaft hinterlassen? Nun liegt das Kriegsende bereits 75 Jahre in der Vergangenheit. Und wir leben in einem der wohl bestaufgeräumtesten Länder der Welt. Und dennoch werden selbst heute noch immer in den meistbebauten Regionen des Landes Blindgänger von damals abgeworfenen Bomben gefunden. Mitten In Hamburg, Köln, Frankfurt, wo man doch meinen sollte, jeder Quadratzentimeter Boden sei im Laufe der Jahrzehnte mehrfach umgedreht worden, finden sich alle paar Wochen ein paar Zentner verloren gegangener Sprengstoff. Wie lange dauert es, bis man diesen Mist endlich wieder los ist? Aber was macht der Mensch in seiner allumfassenden Blödheit? Verteilt weiterhin fleißig in riesigen Arealen der Welt tagtäglich neue Bomben und anderen Dreck. Selbst wenn man damit noch heute aufhören würde, werden Jahrhunderte vergehen, bis man diesen Schwachsinn wieder rückgängig gemacht hat. Aber ans Aufhören denkt irgendwie noch keiner. Dafür lässt sich mit Rüstungsgütern schlichtweg zu viel Geld verdienen. Die Erste Allgemeine Verunsicherung hat das in einem ihrer genialen Songs so schön formuliert: „Humanismus und menschliche Ethik bringen keine Kohle, drum sind sie auch nicht nötig. Sokrates, Plato, Hegel und Kant waren an der Börse nie genannt.“ (EAV – Neandertal)
Ich scrolle weiter. Greta Thunberg wird einmal mehr in der Luft zerrissen. Was kann eine 16-Jährige denn auch schon für eine Ahnung vom Klima haben? Wiegelt der schwedische Teenager unseren ohnehin nur schwer zu bändigenden Nachwuchs doch glatt zum Schule schwänzen auf. Geht ja gar nicht. Wenn ich die zweidimensionalen, ja eher schon eindimensional-flachen Argumente der Demo-Gegner durchlese, komme ich aus dem Fremdschämen fast nicht mehr raus. Es ist ein Armutszeugnis, dass die angeblich professionellen Erwachsenen stoisch an einem Umgang mit der Natur festhalten wollen, der nachweislich nicht funktioniert. Aber die gleichen erzkonservativen Erwachsenen wollen ja auch an einem Bildungssystem festhalten, dass zwar früher einmal die Grundlage für einen gewissen Wohlstand vermittelt hat, aber längst nicht mehr dafür taugt, die heranwachsenden Menschen auf die Schnelllebigkeit der Zukunft vorzubereiten. Man muss mit der Zeit gehen (sich weiterentwickeln). Sonst wird man mit der Zeit gehen (von der Bildfläche verschwinden).
Gerade wenn ich die Sprüche des derzeitigen FDP-Vorsitzenden lese, kommt mir das Würgen. Man soll es nicht glauben, dass ich einmal ein FDP-Wähler war. Aber damals zeigte diese Partei wenigstens noch einen Funken allgemeinen Liberalismus. Inzwischen scheinen sich die Gelben ausnahmslos nur noch dem Aufrechterhalten des ausgedienten Modells des Kapitalismus verschrieben zu haben. Politisch bin ich heimatlos geworden. Ich sehe mich weiterhin als Liberalen. Allerdings als echten Humanliberalen. Mit dem abartig einseitigen Wirtschaftsliberalismus der angeblich ‚Freien‘ Demokratischen Partei kann ich nichts anfangen. Das ist ein nicht im geringsten verfolgenswerter Irrweg!
Es sind so viele Themen, denen ich mich so gerne mit mehr Aufmerksamkeit, Recherche und anschließendem Niederschreiben meiner Gedankengänge widmen würde. Aber ich komme nicht dazu. Bei meinen Kunden bringe ich immer wieder den gleichen, inzwischen ziemlich abgenutzten Scherz, wenn ich mal wieder darauf angesprochen werde, dass ich eine versprochene Arbeitsleistung zu spät abliefere: „ich lasse mich zu leicht ablenken“. Aber das Festhalten an den Weisheiten, die man einmal in den verschiedenen Zeitmanagement-Seminaren beigebracht bekommen hat, ist schwierig. Priorität A-Aufgaben sofort erledigen, auch wenn es sich um unangenehme Dinge handelt und man aus dem Stehgreif zehn Ausreden runterrattern könnte, warum man da gerade nicht dran gehen bräuchte. Priorität-B-Aufgaben katalogisieren und mit einem festen Zeitplan versehen die Erledigung planen. Den Zeitplan dann aber auch bedingungslos und gegen jeden Widerstand einhalten. Und Priorität-C-Aufgaben ebenfalls katalogisieren, sprich fein säuberlich untereinander schreiben. Meistens finden sich in dieser Liste ganz viele Dinge, die man gerne machen würde. Einmal pro Woche nimmt man sich dann den Zettel mit diesen Aufgaben… und wirft ihn ungelesen weg. Zu diesen Aufgaben wird man ohnehin niemals kommen.
Problematisch wird die Geschichte, wenn man den Arbeitstag nur noch mit A, A+ und A++-Prioritäten füllen kann. Wenn sich im Verlauf der Arbeitstage immer mehr das Gefühl etabliert, man sei nur noch am Reagieren, statt denn selbstbestimmt zu Agieren und zu Gestalten. In der Coaching-Branche hat sich dafür die Redensart etabliert, „man wird gelebt, statt selbst zu leben“. Auch hier habe ich mir wahrlich schon ausreichend Wissen angehäuft, um mitreden zu können. Nur eben nur „mitreden“, nicht „mitmachen“. Das Loch hier im Blog dokumentiert diese Diskrepanz zwischen ‚Wollen‘ und ‚Sein‘ nur zu gut.
Vielleicht beneide ich deshalb die Schüler sogar ein bisschen, die sich Freitag für Freitag zur Aufgabe gemacht haben, die Politik vom akuten Handlungsbedarf zu überzeugen. Der klitzekleine Unterschied zwischen Träumen und Erleben liegt eben doch im Tun. Und die Teenager tun etwas. Haben sie damit Erfolg? Ich bin Realist. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die Aktion verpuffen. Im Sande verlaufen. Ich beschließe hiermit, diesem Thema meinen nächsten Blogeintrag widmen. Beteiligungen an der Diskussion sind definitiv willkommen.
Wieder anfangen heißt es nun. Auf geht es. Break the break. Ich bin wieder da!
Euer Clark