Die Masken sind gefallen.
„Es ist besser, unvollkommene Entscheidungen durchzuführen, als fortwährend nach vollkommenen Entscheidungen zu suchen, die es wohl niemals geben wird.“
Charles de Gaulle, französischer General
Schön wäre es, wenn mit dem Titel nur gemeint wäre, dass in der bekannten Musikshow wieder einmal ein Promi enttarnt wurde. Nein, es geht um nicht weniger, als unser aller Gesundheit. Was wie ein Aprilscherz anmutet, wurde tatsächlich wahr: seit heute steht es jedem frei, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen oder es sein zu lassen.
Während ich heute früh meine Briefe aus dem Postfach in unserem kleinen Postshop holte, lauschte ich dem Gespräch zwischen einem älteren Herren und der Angestellten hinter dem Tresen. Er hatte nur ein bereits frankiertes Retourenpäckchen abgegeben und schon ihm Gehen noch die Frage gestellt, wie es denn in diesem Laden zukünftig mit der Maske gehandhabt werden soll. Er selbst trug eine FFP2-Maske, die Shop-Angestellte hinter ihrem Plexiglasschutz trug eine medizinische Maske. Beides also unübersehbar Menschen, die sich Gedanken über ihren gesundheitlichen Zustand machen. Entsprechend war ich neugierig geworden und lauschte der Antwort. „Es steht ihnen frei; seit heute ist es nicht mehr vorgeschrieben eine zu tragen“, gab die Angestellte Auskunft. „Ihr behaltet also nicht die Pflicht bei“, stellte der ältere Herr fest.
Ein Eintrag auf Twitter fiel mir da ein, den ich gerade am Abend vorher gelesen hatte. Eine Geschäftsfrau schrieb da, sie habe von einem erzürnten Kunden vorgeworfen bekommen, ihr würde es wohl zu gut gehen, weil sie auf Kundschaft verzichten könne, indem sie weiterhin an der Maskenpflicht in ihrem Ladengeschäft festhält. Wie man es dreht und wendet, hier hat sich wieder einmal die Staatsgewalt geschickt aus der Verantwortung gestohlen und ihr Bestes gegeben, die ohnehin schon aus zahlreichen Gründen gespeiste Spaltung der Gesellschaft weiter zu vertiefen.
Am Abend bin ich in einem Supermarkt einkaufen gegangen. Der gerade wieder zurückgekehrte Winter sorgte dafür, dass mir über meiner FFP2-Maske ständig die Brille beschlug. Die weggefallene Verpflichtung zum Tragen der Maske hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon wieder ganz vergessen. Nun darauf aufmerksam geworden, betrachtete ich die anderen Kunden in dem Geschäft etwas genauer. Der weit größte Teil der Anwesenden trug weiterhin eine Maske. Wirklich auffällig waren die verkrampften, ja fast aggressiv zu nennenden Gesichtszüge derjenigen, die auf eine Maske verzichteten. In den Augen dieser Menschen blitzte regelrecht die Vorwarnung: „mach nicht den Fehler und sprich mich auf das Thema ‚Maske‘ an!“
In meiner Brust schlägt bekanntlich ein liberales Herz. Eigenverantwortung ist mir daher ein hohes Gut. Doch denke ich, dass die persönliche Entscheidungsfreiheit dann an ihre Grenzen stößt, wenn sie die eben gleiche Entscheidungsfreiheit eines Anderen beeinträchtigt. Dieser soziale Ansatz sollte eigentlich für jedermann selbstverständlich eine höhere Gewichtung genießen, als irgendwelche Wohlstandsansprüche.
Kann der Mensch denn wirklich für sich selbst entscheiden? Braucht man zum Treffen einer Entscheidung nicht zu aller erst ausreichend Informationen, um richtig beurteilen zu können? Liegen wirklich jedem, der denkt eine Entscheidung treffen zu dürfen, die erforderlichen Informationen hierüber überhaupt zur Verfügung? In einem freien Land mit freiem Informationszugang meine ich damit nicht, ob die Informationen ‚verfügbar‘ wären, wenn man danach sucht. Nein, ich meine eher, ob die Grundausbildung des einzelnen Bürgers und der einzelnen Bürgerin wirklich gut genug war, um überhaupt ein Gefühl dafür zu haben, wie viele Informationen sie denn bereits aufgenommen und geistig verarbeitet hat. Das Kaufen eines Fachbuchs alleine reicht noch nicht aus, um zum Fachmann zu werden. Man muss es auch lesen.
Für mich ist die Covid19-Pandemie immer wieder nur ein Spiegelbild für den Umgang der Menschheit mit all ihren Problemen. Sei es eine Landtagswahl, bei der die sich um ihren Arbeitsplatz sorgenden Bürger ausgerechnet mit großem Abstand die Kandidatin wählen, die seit Jahren den Abbau von Arbeitsplätzen mit verantwortet. Sei es die geifernde Schadenfreude, mit der eine fragwürdige PR-Entscheidung von Klimaaktivisten dazu genutzt wird, vom eigentlichen Thema abzulenken. Oder sei es im Extrem ein völlig überflüssiger Krieg inmitten dessen, was gemeinhin als ‚zivilisierte‘ Welt bezeichnet wird.
Die nicht zuletzt durch den übermäßigen Medienkonsum schwerst wohlstandskrank gewordene Menschheit hat es verlernt abzuwägen. Man denkt nur noch in schwarz und weiß. Es gibt nur Gut und Böse. Es gibt nur Genies und Idioten, um es mal frei in den Worten eines ehemaligen amerikanischen Präsidenten auszudrücken. Ist das wirklich eine Gesellschaft, die in der Lage ist, weit reichende, zukunftsweisende Entscheidungen zu treffen?
Blättern wir doch einfach mal in den Geschichtsbüchern tausend, zweitausend, dreitausend Jahre rückwärts. Wie viele Kriege zwischen menschlichen Nationen hat dieser Globus schon gesehen? Und wie viele dieser daraus entstandenen Großmächte hatten Bestand? Alle, ausnahmslos alle Großmächte sind im Laufe der Jahrhunderte irgendwann wieder verschwunden! Nahezu jedem ist das Zitat des berühmten Albert Einstein bekannt: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten„. Und doch tun die Menschen immer wieder genau das: wiederholen, was ihre Vorfahren schon getan haben.
Es ist längst an der Zeit, neue Wege auszuprobieren. Es ist an der Zeit für Menschen, die nicht darüber diskutieren, ob unser Gas und Öl von einem Aristokraten oder besser von einem Despoten gekauft werden soll. Wir müssen darüber diskutieren, überhaupt kein Gas und Öl mehr zu kaufen. Genauso muss eine Debatte auf den Tisch, wie man das heilige Bruttoinlandsprodukt auf der bestehenden Höhe hält, wenn man möglichst kurzfristig nicht mehr zu den weltweit führenden Waffenexporteuren gehören möchte. Solange es weit lukrativer ist, Menschen zu töten, als die Menschheit am Leben zu erhalten, habe ich persönlich bedenken, dass sich Entscheidungsträger finden, aus deren Taten eine eher lebenswerte Zukunft folgt. Tausend grübelnde Gedanken, auf die man kommen kann, wenn man nur an Masken denkt.
Dennoch erwartungsfrohe Grüße
Euer Clark