Verloren! Hoffnung? Kaum.
„Wenn wir eines Tages wirklich zu den Besuchern und nicht zu den angeguckten Tieren des galaktischen Zoos gehören wollen, dann müssen wir unsere Probleme auf unserem Planeten lösen. Und vielleicht gelingt es uns auf diese Art und Weise, endlich vom Tier zum Menschen zu werden.“
Harald Lesch, deutscher Astrophysiker
Heute poste ich eine Buchempfehlung. Ein Lese-Muss! Binnen kurzer Zeit wurde das Buch zum Bestseller. Dabei beinhaltet es statt Actioneinlagen eine jede Menge Frust und es schließt auch nicht mit einem Happy End ab. Im Gegenteil. Diejenigen, die sich mit Aufmerksamkeit schon vor der Lektüre des Buches mit dem menschlichen Umgang mit der Natur beschäftigt haben, klappen es nach der letzten Seite mit hängenden Schultern zu und lehnen sich vermutlich mit ziemlich feuchten Augen zurück, um das Ausmaß des Schreckens zu verarbeiten. Die meisten Menschen jedoch, insbesondere ausgerechnet diejenigen, die sich über den Inhalt eigentlich dringend informieren müssten, fassen das Buch wahrscheinlich gar nicht erst an.
Losing Earth. Wir verlieren die Erde. Eine nüchterne Bestandsaufnahme von Nathaniel Rich. Ein Buch, das man gelesen haben muss! Sagte ich schon.
Gut und gerne zwei komplette Generationen lang ist das Umweltproblem bereits bekannt. Und genauso lange schafft es die Lobby hinter der Gier nach Macht und Geld schon, jegliche Sensibilität der Öffentlichkeit gegenüber dem Themenblock zu unterdrücken. Jetzt, ganz langsam, wächst eine Fridays-for-future-Generation heran, der es zuzutrauen ist, dass sie dem Wahnsinn ein Ende setzen möchte. Aber es besteht die berechtigte Befürchtung, dass die heutigen Kinder zu spät kommen werden. Denn selbst wenn man den ohnehin schon sehr optimistischen Fall unterstellt, dass diese Bewegung es schafft, die sogenannte westliche Welt zu einem Umdenken und Neuausrichten des Handelns zu bewegen, wird es kaum gelingen, damit ausreichend schnell genug Einfluss auf die Menschen zu nehmen, die heute in einem gerade anlaufenden, lang ersehnten Wohlstand an jedem einzelnen Kalendertag so viel Umweltschaden anrichten, wie die ganze Welt vor ein paar Jahrzehnten noch in einem kompletten Jahr.
Erst mit meinem Einstieg in das Hobby des Tauchens wurde ich mir der Tragweite dessen, was wir Menschen anstellen, wirklich bewusst. Und all die Recherchen, die ich seitdem zusammengetragen habe, sind kein bisschen dienlich, meinen Pessimismus zu reduzieren.
Beispiel: Kunststoff. Plastik in der heute gängigen Form wurde erst um das Jahr 1900 erfunden, ist also noch ein richtig junges Produkt. 50 Jahre später wurde schon pro Jahr etwa eine Million Tonnen Plastikmüll in die Umwelt gekippt. Nochmal etwas über ein halbes Jahrhundert später sind es jetzt schon annähernd 300 Millionen Tonnen pro Jahr. In erheblicher Menge einfach in die Meere geleitet mit nur zehn riesigen Abwasserkanälen, sorry, Flüssen in Afrika und Asien. Durchaus seriöse Hochrechnungen gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2050 mehr Plastik in den Meeren schwimmen wird, als denn Fische. Zweitausend-Fünfzig! Das ist quasi übermorgen.
Vollkommen egal, was man auch durchliest, sobald man ein bisschen hinter die Fassade schaut, findet man überall die Hinweise auf den Niedergang unserer derzeit bekannten Natur. Vor einiger Zeit klickte ich auf das wunderschöne Bild, mit dem mich die Windows-Anmeldung auf meinem PC begrüßte und habe mich ein bisschen über Mangroven belesen. Sehr traurige Erkenntnisse, die ich dabei erlangen durfte. Gestern betrachtete ich nun beim Hochfahren meines Rechners den leuchteten Schnabel eines Tukans. Wieder klickte ich auf das Feld zum Erlangen von mehr Informationen. Die meisten Unterarten dieses außergewöhnlichen Vogels stehen schon auf den Listen der bedrohten Arten. Die Hauptgattung bislang noch nicht. Aber die Brandstifter in Südamerika geben sich ja bekanntlich gerade beste Mühe, an dem Zustand etwas zu ändern.
Während es die verheerenden Brände in Brasilien schon kaum in unsere Nachrichten schaffen, interessiert sich für den genauso niederbrennenden Urwald in Afrika rein gar niemand. Ist ja alles weit weg. Außerdem haben wir in Deutschland auch schon manch einen Waldbrand erleben müssen. Als ob man das vergleichen könnte. Werfen wir den nächsten Blick in die Nachrichten. Ach, in Alaska wird der alte Bewuchs jetzt auch zur Rodung freigegeben?
Ich kann mich erinnern, als Kind einen Sience-Fiction-Roman gelesen zu haben, in dem ein Mensch ins Koma fiel und eingelagert und vergessen wurde. Jahrhunderte später fand ihn zufällig jemand und konnte ihn mit den da längst bekannten Mitteln einfach wecken. Der somit unfreiwillige Zeitreisende fand sich in einer veränderten Welt wieder. Einer Welt aus Stein und Beton. Pflanzen gab es nur noch aus Kunststoff in Museen und Bilder davon in alten Büchern. Luft zum Atmen wird künstlich in Fabriken hergestellt, die von einer weltbeherrschenden Elite schwer bewacht werden. Und logischerweise zum Erpressen der Menschheit teuer verkauft wird. Damals las ich die Geschichte und dachte bei mir, das sei doch vollkommener Quatsch. Die Menschen würden doch niemals ihre eigene Umwelt so sehr kaputt machen. Ich erwähnte es schon in manch einem anderen Blog: ich war früher ziemlich naiv veranlagt. Heute weiß ich: doch, genau das wird die Menschheit tun!
Niedergebrannt ist solch ein Urwald binnen weniger Tage. Aus dem damit gewonnenen Ackerland lassen sich fünf, vielleicht zehn Jahre lang maximale Erträge aus dem Anbau von Sojabohnen oder Palmölen herausschlagen. Danach ist die Erde so ausgelutscht, dass auch ein Draufschütten von Chemie nichts mehr hilft. Da wächst kaum noch was. Man gibt den Acker auf. Überlässt ihn der Natur. Die braucht dann hundert Jahre und mehr, um daraus wieder eine Grünfläche zu generieren. Verschärft wird dieses ohnehin traurige Spiel noch durch die Tatsache, dass die Wälder nicht einmal zum Zwecke der Landwirtschaft abgeholzt werden, sondern rein nur als Kapitalanlage. Wenn eine Kuh drauf steht, kann der Bauer nach dortigem Recht sagen, es sei sein Land. Wertloses Brachland.
Noch erschreckender wird die Entwicklung, wenn man sich manch eine wissenschaftliche Einschätzung durchliest. Ein geschlossenes Ökosystem bleibt in einer gewissen Größe in sich stabil. Wenn man es jedoch zu sehr beschneidet, wird es irgendwann kippen. Dass es kippen wird, bestätigt jeder Fachmann. Nur bei dem „wann“ gehen die Meinungen noch etwas auseinander. Optimistische Fachleute gehen bei den Urwäldern von einer Mindestrestmenge von 60% der ursprünglichen Gesamtfläche aus. Die Pessimisten unter den Forschern reden lieber von maximal 25% Flächenverlust, der unbeschadet weggesteckt werden kann und sich im Zweifel auch von alleine wieder aufbaut. Ist die kritische Masse einmal unterschritten, gibt es kein Zurück mehr. Der Wasserkreislauf bricht zusammen, der Urwald beginnt von ganz alleine zu versteppen und abzusterben. Ohne dass der Mensch auch nur die geringste Chance hätte, etwas dagegen zu tun.
Ist es da beruhigend zu wissen, dass der Homo sapiens „sapiens“ in den 50 Jahren von 1970 bis heute erst knapp 20% der damals vorhandenen Urwaldflächen gerodet hat?
Das Ende von allem naht? Die biblische Apokalypse? Vor 2000 Jahren herrschte eine solche Erwartungshaltung. Brachte den Messias hervor. Sind wir nun in den Zeiten der angekündigten Wiederkehr angekommen? Hilft uns ein Heilsprediger weiter, der mit gut gemeinten Empfehlungen den rechten Weg zu weisen versucht, letzten Endes aber doch nur Gehör bei denen findet, die aus seinen Vorschlägen Kapital zu schlagen wissen? Oder ist vielleicht doch einfach eine Vogel-Strauß-Praktik angesagt. Wegschauen und abwarten. Alles wird gut. Dieser Planet hat im Laufe von Jahrmilliarden so vieles überstanden. Das Leben auf dieser noch immer weitgehend Terra incognita stand im Laufe seiner Existenz schon so oft knapp vor dem Ausgelöscht-Werden. Und doch ging es immer wieder weiter. Manchmal auf Umwegen, manchmal ganz von vorne. Aber mit Zuverlässigkeit immer weiter. Das wird auch dieses Mal der Fall sein.
Darauf kann man sich auch durchaus verlassen. Die Natur wird das schaffen. Egal, wie sehr wir den Boden versiegeln, die Landschaft vergiften, Müll ins Meer werfen oder am Ende beim Kampf um die letzten paar Ressourcen zur finalen Waffe greifen, dem Planeten, der Natur ist das vollkommen egal. Mag sein, dass es tausend Jahre dauert, bis die Kunststoffe aus dem Lebenskreislauf zu verschwinden beginnen. Mag sein, dass es viele Jahrzehntausende braucht, um den atomaren Müll zu beseitigen, den wir hinterlassen. Aber was sind denn für einen Planeten im Alter von über vier Milliarden Jahren eine Million Sonnenumrundungen? Was stört es die alte Eiche, wenn die Wildsau sich am Stamme juckt?
Nein, wir zerstören nur unsere eigene Lebensgrundlage. Und das bei vollem Bewusstsein. Der Raucher, der die abschreckenden Bilder auf der Zigarettenpackung betrachtet, und sich dabei die nächste Zigarette anzündet. Der Diabetiker, dem man schon den ersten Fuß amputiert hat, und der dennoch genüsslich die Gabel mit dem nächsten Stück Sahnetorte in den Mund schiebt. Der Motorradfahrer, der um die physikalischen Fliehkräfte weiß und in der Kurve auf der Gebirgsstraße dennoch kräftig Gas gibt. Es sind genau die gleichen Beweggründe, die auch dazu führen, dass man den einzigen Brunnen im Dorf dazu nutzt, die Fäkalien zu entsorgen. Vernunft? Selten.
Letztens habe ich mir einen Bericht zum Thema Emergenz durchgelesen. Das einzelne Individuum mag noch so dumm sein, in der Masse kommt es zu intelligenten Handlungen. Für den Mensch gilt in vollem Umfang die umgekehrte Betrachtung. Der Einzelne mag hochintelligent sein. In der Masse verhält sich die Menschheit jedoch strunzdumm. Kriegen wir diese Schwarmdummheit rechtzeitig unter Kontrolle?
Es kann zumindest keiner sagen, es wurde nie gewarnt. Es wurde mehr als genug gewarnt. Das eingangs erwähnte, an dieser Stelle nochmals wärmstens zum Lesen empfohlene Buch ist eine ziemlich deutliche Dokumentation der Chronik der Warnungen. Und des Ignorierens von ebendiesen. Was bezeichnet ein Mensch denn heute als ‚Problem‘? Ist das denn wirklich ein ‚Problem‘ Anbetracht der absehbaren Aussicht auf ein Ende allen Wohlstandes auf diesem Planeten? Die Dimensionen der anstehenden Gefahren sind dermaßen gigantisch, dass es die Vorstellungskraft übersteigt.
Verschwinden wird die Menschheit durch all das nicht. Irgendwie geht es immer weiter, das schrieb ich schon. Aber die ganzen in den 1980ern gedrehten Endzeit-Spielfilme, wie Mad Max & Co., bekommen auf einmal einen durchaus realen Touch. Damals unterstellte man die Spannungen des Kalten Krieges als Auslöser eines globalen Atomkrieges, der große Teile der Welt unbewohnbar machen wird. In der realen Umsetzung dieser düsteren Drehbücher von damals zerstört der Mensch nun zuerst die Umwelt und macht den Globus in weiten Teilen unbewohnbar, um sich dann den zwischenmenschlichen Spannungen der immer weiter wachsenden, aber auf eine immer kleinere Fläche eingepferchten Bevölkerung zu stellen.
In immer mehr Ländern der Welt bekommen seit Jahrzehnten Provokateure und Säbelrassler das Sagen und die Unterstützung einer ständig wachsenden Bevölkerungssicht ohne jeden Weitblick. Die Gefahr, dass einer dieser Vertreter irgendwann auf den berüchtigten roten Knopf drückt, steigt von Jahr zu Jahr. Vielleicht ist der totale atomare Krieg gar nicht mehr so weit weg. Ausgelöst durch Futterneid. Oder jähzornigem Trachten nach verbrannter Erde. „Wenn wir schon nichts kriegen, sollt ihr auch nichts haben.“ Dem aktuellen internationalen Politik-Kindergarten ist solch ein Verhalten zuzutrauen.
In der zukunftsgerichteten Literatur stößt man immer wieder auf die vermutete Entwicklung hin zu einem einheitlichen Staat auf der ganzen Welt. Im Bereich der Sience Fiction greift man auch gerne auf zwei oder drei Staatssysteme nebeneinander auf einer ansonsten geeinten Welt zurück, um ein wenig Konkurrenzgedanke aufrecht zu erhalten. Eine Art von „für jeden etwas“. Fakt ist, dass sich die wahren, die echten Probleme unserer Zeit nur in solchen großen Dimensionen lösen lassen. Ein einzelner Staat auf dieser Erde bekommt nichts ausgerichtet. Keine Plastikvermüllung gestoppt und keinen Treibhauseffekt gebremst.
Klar, man kann der restlichen Welt ein System vorzuleben versuchen, das nachahmenswert genug ist, dass es irgendwann von vielen Ländern kopiert wird und somit ein weltweiter positiver Effekt einsetzt. Aber in einem weiteren Punkt sind sich auch so ziemlich alle Wissenschaftler einig: dazu fehlt inzwischen die Zeit. „Irgendwann“ ist schlichtweg zu spät. Dem Menschen, beim dem schon Lungenkrebs diagnostiziert wurde, braucht man das Rauchen auch nicht mehr zu verbieten.
Nur leider will das die Menschheit noch nicht wahr haben: Dieses „zu spät“ ist vielleicht schon morgen!
Einen zukunftsängstlichen Gruß
Euer Clark