Vorwärts kommen. Anders.

Eigentlich wollte ich heute tauchen gehen. Fiel aus, weil meiner Tauchpartnerin kurzfristig etwas dazwischen gekommen ist. Kam mir jedoch sogar gelegen, denn vor Wochen hatte ich mir eine Tischkreissäge besorgt, die mich quasi täglich daran erinnerte, dass meine Holzvorräte nur noch kurze Zeit aus Ofentür-kompatiblen Stücken bestehen. Ich habe mich also über den durchs ständige Wegschieben schon leicht lädierten Karton des neuen Werkzeugs her gemacht und aus den rund 30 Einzelteilen mit den mitgelieferten gefühlt 250 Schrauben eine funktionstüchtige Tischkreissäge zusammen geschraubt. Und diese anschließend auch gleich stundenlang dazu genutzt, die Nachbarn in den Wahnsinn zu treiben, während ich zukünftige Wohnzimmerwärme in Stückchenform produzierte.

Über den Nachmittag hinweg fiel mir die Arbeit immer schwerer. Die Mischung aus Erschöpfung und Muskelkater hätte ich gerne meiner verfallenen Kondition zugeschoben. Aber das Klopfen hinter meiner Stirn, sobald ich mich zum Boden bückte, deutete doch stark darauf hin, dass hier eine andere Ursache ihre Vorboten schickte. Ich nutzte diesen Hinweis, als das offensichtlich nicht wirklich hochwertige Sägeblatt unter den Strapazen zu schwächeln begann und der Elektromotor hörbar um Gnade winselte, während ich die Balken zu zerlegen versuchte. Und machte früher Feierabend.

Nachdem ich den Hof gefegt und mit wummernder Birne die Sägespäne in den Mülleimer verfrachtet hatte, schaute ich auf mein Handy. Immerhin stand am Abend noch ein Vereinstreffen an, um die nächste Reise ins Nachbarland zu planen. Dem Nachrichtendienst mit dem grünweißen Logo konnte ich eine schon umfangreich laufende Unterhaltung entnehmen. Deren Tenor fast einstimmig lautete: krank und krank und auch krank. Die einzige scheinbar nicht erkältete Teilnehmerin befand sich nach einer Blinddarm-OP gerade im Krankenhaus. So sehr ich mich auch auf die Besuchsfahrt zu den Vereinskameraden in Frankreich freue, so sehr kam es mir in meiner aktuellen Verfassung gelegen, dass wir das Treffen mangels ausreichend Teilnehmer kurzfristig absagten.

Ich habe mich stattdessen kurzerhand auf mein Fahrrad gesetzt und bin zum Drogeriemarkt geradelt. Meerwasser-Nasenspray, den Hals beruhigende Lutschtabletten und eine Flasche Eukalyptus-Badezusatz wanderten in meinen Einkaufskorb. Ab nach Hause, eine riesige Kanne Tee gekocht, Wasser in die Badewanne und den geschundenen Gliedern ein bisschen Erholung gönnen.

Erkältungskrankheiten machen dem Körper mehr als nötig zu schaffen, wenn sie mit Flüssigkeitsmangel einher gehen. Irgendwann habe ich mal einen Roman gelesen, bei dem der Hauptdarsteller Arzt in einem Krankenhaus war und sich bei Aufziehen einer Erkältung kurzerhand selbst eine Infusion verpasste, um fit in den OP gehen zu können. Schlagartig gesund wird man dadurch nicht, aber die lästigen Begleiterscheinungen lassen sich doch enorm vermindern. Natürlich wurde der Arzt mit der Nadel im Arm erwischt und anschließend für drogenabhängig erklärt und denunziert. In dem ganzen Krimi war das nur eine winzige Randsituationsbeschreibung. Aber eine, die mich bis heute dazu veranlasst, bei Erkältungserscheinungen meinen Flüssigkeitskonsum drastisch zu erhöhen.

Statt fester Nahrung gab es nun passend dazu als Abendessen eine Nudelsuppe. Mit dem dampfenden Topf setzte ich mich vor meinen Bildschirm und rief die Nachrichtenseite auf, um mir einen Überblick über den Tag zu verschaffen. Die Schlagzeilen unterscheiden sich nicht wirklich von denen bei der Frühstückslektüre. Die Chinesen ziehen alle Register, um eine Pandemie des Coronavirus zu verhindern. In den USA wird weiter erfolgreich jegliche vernünftige Politik verhindert, indem sich alles nur noch um die Soap Opera von Trumps Impeachment dreht. Die Deutschen haben weiterhin nur eine einzige Sorge, nämlich Angst vor der Freiheitsberaubung durch Geschwindigkeitsbegrenzungen. Und jede Menge Greta. Mir will es nicht gelingen, zu verstehen, was in den Köpfen der Menschen vorgeht, die diesen Teenager mit einem Shitstorm nach dem nächsten überziehen. Wir reden bei dem Thema über nichts geringeres, als das Weltklima. Aber alle hacken nur auf dieser einen einzelnen Person herum. Mit konstruktiver Auseinandersetzung hat das irgendwie schon lange nichts mehr zu tun.

Frustriert wende ich mich von den weltweiten Nachrichten ab und blättere ein bisschen durch die lokaleren Schlagzeilen. Normalerweise tue ich das nur ungerne, denn die kleinen Zeitungen laufen finanziell dermaßen am Limit, dass die Websites meistens hoffnungslos mit Werbung überfrachtet sind. Und um die Auflage irgendwie rechtzeitig vor Druck voll zu kriegen, werden auch Artikel mit aufgenommen, die manchmal nicht wirklich berichtenswert sind. So habe ich auch die Überschrift eines Artikels aus Melsungen zuerst für einen Scherz gehalten. „Täglich 27 km mit dem Rad zur Arbeit“, lese ich da als Schlagzeile. Und nach einem Klick auf den Link stelle ich fest, dass diese Redaktionsmitarbeiterin hier selbst das Interview geführt und den Artikel geschrieben hat. Ein Lkw-Fahrer, der es ganzjährig fertig bringt von Zuhause zu seinem Arbeitsplatz tagtäglich mit einem seiner vier Fahrräder zu radeln. Eine Sensation! Echt jetzt?

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Okay, ich würde ja selbst auch am liebsten von meinem Schreibtisch zum Klo mit dem Auto fahren, weil es so schön bequem ist. Aber ich bin mir dessen bewusst, dass es sich dabei nur um Bequemlichkeit handelt. Nein, nennen wir es doch einfach beim richtigen Namen: um Faulheit.

Mein Großvater lebte in einem der Örtchen, aus denen später das hessische Riedstadt erwuchs. Auch er war ein Opfer der Industrialisierung, denn in seinem erlernten Beruf als Müller bekam er nirgends einen Job, mit dem er Frau, Kinder, Haus und Hof hätte finanzieren können. Also tat er es vielen anderen Menschen gleich und heuerte beim über lange Zeiten größten Arbeitgeber weit und breit an: den Adam-Opel-Werken in Rüsselsheim. Von der 5-Tage-35-Stunden-Woche träumte man damals ebenso, wie von kräfte- und gesundheitsschonenden Arbeitsbedingungen. Und doch ist der Mann jeden einzelnen Tag die 25 Kilometer morgens zur Arbeit hin und abends von der Arbeit nach Hause geradelt. Sommer wie Winter, bei jedem Wetter. Und auf einem Drahtesel, dessen Gewicht und Antriebstechnik heute gar nicht mehr vorstellbar sind. Der Mann tat das nicht, um das Klima zu schützen. Er tat das schlicht und ergreifend nur, weil er sich kein Auto leisten konnte!

An solchen Erinnerungen scheint es heutzutage irgendwie zu klemmen. Wir leben in einem solch unermesslichen Luxus, dass wir diesen schon gar nicht mehr in Frage stellen. Wir jammern über Sachverhalte, die sich außerhalb der Vorstellungskraft der meisten Menschen auf diesem Globus bewegen. Aber das Schlimmste ist: wir beharren und verteidigen diesen Zustand bis aufs Blut. Wenn da ein Teenager kommt und drauf hinweist, dass das echt Scheiße ist, was wir da machen, verurteilen wir diese Heranwachsende mit dem Vorwurf, sie solle als verwöhnte Göre doch einfach nur den Wohlstand ausnutzen, in dem sie lebt, statt in Frage zu stellen, wo dieser Wohlstand denn her kommt. Dass hinter dem Teenager inzwischen so ziemlich alle Wissenschaftler stehen und darauf hinweisen, wer die Zeche am Ende bezahlen muss, ignorieren wir auch einfach mit dem Hinweis, dass die doch alle keine Ahnung davon haben, wie das Leben wirklich funktioniert.

Merkwürdigerweise waren es genau diese Wissenschaftler, die uns in die Lage versetzt haben, in solch einem Luxus zu leben. Autos mit Lenkrad-Kühlung und T-Bone-Steaks, die billiger sind, als eine Handvoll Reis, sind für uns normal geworden. Wer soll denn da noch in Frage stellen, ob es nicht auch andere Möglichkeiten gäbe, zu einer 27 Kilometer entfernten Arbeitsstelle zu kommen, als denn mit dem Auto? Welch Sensation, ein einzelner Außenseiter fährt diese horrende Distanz mit dem Fahrrad. Und kaum zu glauben, er ist trotzdem auch noch schlank und gesund. Wo kämen wir denn hin, wenn das jeder täte?

Nun bin ich zugegebenermaßen bei dem Thema Radfahren zur Arbeit ein wenig „vorbelastet“. Einer meiner Kunden sitzt in mitten Frankfurt. Mit dem Auto insbesondere während der Stoßzeiten nur mit schier übermenschlicher Geduld zu erreichen. Und selbst wenn man es dann bis vor die Tore des Unternehmens geschafft hat, wird man das Auto dort nicht mehr los. Wie oft musste ich schon einen Parkplatz nutzen, von dem aus ich dann nochmal in die S-Bahn steigen musste, um zum Kunden zu kommen. Also lieber gleich mit dem öffentlichen Personennahverkehr fahren. Allerdings kann so ziemlich jeder Berufspendler bestätigen, dass auch das sehr häufig zu einer nervenaufreibenden Herausforderung wird. Durch jahrzehntelanges Hinauszögern von Investitionen in die Infrastruktur sind Bus und Bahn den heutigen Anforderungen schlichtweg nicht mehr gewachsen. Wenn denn wirklich wie als hohle Phrase von manch einem Politiker manchmal als Wahlkampfhilfe gefordert, auch nur 10% der heute Auto fahrenden Arbeitnehmer auf Bus & Bahn umsteigen würden, bräche flächendeckend die Beförderung zusammen. Das ganze Konzept, angefangen vom Fahrkartenverkauf bis hin zur Leitstellen-Steuerung und dem Vorhalten von Ausfall-Reserven ist komplett marode. Hier bedürfte es einiger vieler Jahre an Entwicklung, um aus dieser Misere raus zu kommen. Dazu wäre aber ein erster Schritt nötig. Selbiger jedoch Geld kostet und vielleicht Unannehmlichkeiten mit sich bringt. Also vollkommen unpopulär ist. Am Luxus kratzen? Das soll mal schön ein anderer machen. Später. Irgendwann.

Ich habe mir mit Gernsheim eine 10.000-Einwohner-Stadt mitten zwischen den Metropolen Rhein-Main und Rhein-Neckar als Wahlheimat ausgesucht. Nun ist es für solch eine exponierte Lage eigentlich unabdingbare Voraussetzung, in alle Himmelsrichtungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln angeschlossen zu sein, sollte man meinen. Tatsächlich führt die Trasse der Deutschen Bahn von Frankfurt nach Mannheim an diesem Ort vorbei. Leider bislang die einzige Trasse diesseits des Rheins für diese Strecke, was zur Folge hat, dass hier nicht nur der Regionalverkehr, sondern auch der kontinentale ICE- und auch der ganz normale Frachtverkehr über diese Gleise rollen muss. Anbetracht der damit einhergehenden kurzen Taktfrequenz der Züge ist es leider nicht möglich, die S-Bahn-Verbindung aus einer der beiden erreichbaren Großstädte bis hierher zu ziehen. Es bleibt also beim einstündig haltenden Regional-Express.

Auf dessen Unpünktlichkeit man sich allerdings eigentlich schon blind verlassen kann. Wie die meisten anderen Bahnhöfe auf dieser Strecke ist auch der Gernsheimer Bahnhof ein Ort des chronischen Fluchens. Wenn man genervte, gereizte, frustrierte Menschen treffen möchte, braucht man sich hier nur ein paar Stunden an den Bahnsteig zu stellen. Aber die Deutsche Bahn ist immer wieder für Überraschungen gut. Dieser auf Gewinnmaximierung kaputt gesparte Quasi-Staatsbetrieb bringt es fertig, auf jede noch so schlechte Situation noch einen drauf zu setzen. So wurde nach jahrzehntelanger Planungsphase im Jahre 2017 begonnen, den Gernsheimer Bahnhof sowie weitere drei umliegende Bahnhöfe gleichzeitig auf „barrierefrei“ zu modernisieren. Ja, ich schrieb eben mit Absicht „wurde begonnen“, denn von „fertig“ sind die vier Bahnhöfe auch nach über zweieinhalb Jahren Bauzeit noch immer sehr weit entfernt. Die Baumaßnahmen gehen voran, wie man es von deutschen Autobahnen kennt. Erst kommen die Absperrtrupps und stellen Hindernisse in die Landschaft. Dann kommt drei Monate keiner mehr. Irgendwann taucht endlich ein Bagger auf und zerlegt alles wie geplant und meistens noch etwas mehr. Ein bisschen Schwund ist immer. Anschließend sieht man wieder für vier Monate keinen Menschen mehr auf der Baustelle. Und so zieht sich das Projekt über Monate und Jahre.

Jedenfalls gab es in der Anfangszeit der Baustelle eine Spanne von mehreren Wochen, in denen bei uns in Gernsheim überhaupt kein Zug gehalten hat, da der Bahnsteig komplett abgerissen war. Wie gesagt, zeitgleich zu den umliegenden Bahnhöfen. Ich bin in diesen Wochen mit meinem guten alten Mountainbike morgens und abends die 13 Kilometer bis zum nächsten funktionierenden Bahnhof geradelt und dort eingestiegen. Ab und zu, als ein bisschen Fitness einsetzte und ich zu früh am Bahnhof ankam, bin ich auch dran vorbei geradelt und habe noch acht weitere Kilometer dran gehängt bis zum Groß-Gerauer Bahnhof. Denn ein bisschen ärgerte mich die Preispolitik der Deutschen Bahn schon. Gernsheim und der 13 km entfernte Bahnhof Goddelau liegen in der gleichen Tarifzone. Sprich: trotz schweißtreibendem Strampeln kostet das Ticket exakt dasselbe, wie von Gernsheim aus. Auch wenigstens einen Baustellen-Beeinträchtigungs-Rabatt wollte die Deutsche Bahn nicht gewähren. Erst ab Groß-Gerau wird das Ticket günstiger. Also 21 der insgesamt knapp 50 Kilometer mit dem Mountainbike radeln. In der warmen Jahreszeit, aber doch häufig im Regen. Und siehe da, ich habe es überlebt. Ja, ich muss sogar zugeben, dass es mir gesundheitlich und in Sachen Wohlbefinden in der Zeit richtig gut ging.

Aber mit der Wiedereröffnung des Gernsheimer Gleisanschlusses kehrte die alte Bequemlichkeit zurück. Ich stelle mich brav wieder an all den Tagen, die ich zu diesem Kunden fahre, an den Bahnsteig und betrachte die Anzeige, auf der aus fünf Minuten Verspätung nach sieben Minuten dann zehn werden und nach 12 gewarteten Minuten dann 20. Statt einmal gleich korrekt mitzuteilen: lieber Fahrgast, Du hast 15 Minuten Zeit um Dir beim Aldi nebenan was zu essen zu holen, wird man ständig häppchenweise hingehalten und vertröstet. Ich bin sicher, dass Schaffner bei der Deutschen Bahn (korrekt heißen die ja „Zugbegleiter“) ein extrem anstrengender Beruf ist. Ich wollte mich nicht freiwillig acht Stunden am Tag ungeschützt dem geballten Frust von frierenden, schwitzenden, um den Anschlusszug bangenden, hilflosen Menschen aussetzen.

Was bringt all das Fluchen, wenn man nichts ändert? International werden wir Deutschen häufig belächelt aufgrund der berühmten „German Angst“. Früher war dieses Volksgefühl einmal hilfreich, um in verschiedenen schützenden Bereichen, wie Gesundheitswesen, aber auch Waffenbau zum Weltmarktführer zu werden. Inzwischen wird man ab und an das Gefühl nicht los, dass am Scheitelpunkt des Wohlstandes diese volksweite Angst nur noch dazu dient, Weiterentwicklungen zu unterbinden. Auf dem Reißbrett werden eventuelle Innovationen bis zum Erbrechen durchgekaut. Und wenn sie keine 105% Erfolgsaussicht garantieren, einfach wieder verworfen. Der Erfindergeist ist raus. Der Aufbruchswille ist erschöpft. Bei denen, die das Volk als Ganzes leiten sollen. Aber auch bei jedem einzelnen Individuum. Der eigene Zustand mag schlecht sein, aber es finden sich immer leichter Ausreden, aufgrund derer man den Zustand beibehalten kann, statt die Ärmel hochzukrempeln und ein Wagnis einzugehen.

Okay, manche Versuche erweisen sich im Nachhinein als Schnapsidee. Aber auch hier sollte man vielleicht eher schon in der Kita, spätestens in der Schule den folgenden Generationen den Mut zum Scheitern vermitteln, statt denn die Verwendung des erhobenen Zeigefingers. Aber ich will mich hier nicht in einen Exkurs in die Bildungspolitik verlieren. Letztendlich muss ich ja, wie gesagt, an meine eigene Nase fassen.

Im Winterhalbjahr kommen den Menschen, die am Bahnsteig auf den Zug warten, die regelmäßigen rund 10 Minuten Verspätung meist deutlich länger vor, als im Sommer. In Gesprächen mit anderen Pendlern bekam ich jedoch bestätigt, dass es nicht nur mein Gefühl ist, dass sich in den letzten Monaten die Verspätungen und Totalausfälle bzw. Streckenabbrüche ziemlich häufen. Irgendwo Ende November tat ich mich wieder einmal abends nach einem langen Arbeitstag in Frankfurt mit einem anderen Gernsheimer Pendler zusammen und wir fuhren mit dem Darmstädter Zug, weil unsere Heimwegverbindung zum zweiten Mal in dieser Woche komplett gestrichen worden war. Die Frau des anderen kam uns dann mit dem Auto entgegen, um uns aufzusammeln.

Während der Fahrt berichtete der Mann, dass er sich nun einen größeren Motorroller bestellt hat. Sobald das Teil Anfang des neuen Jahres geliefert wird, will er versuchen, vom Bahnfahren wegzukommen. Er habe lange überlegt, ob er ein Elektro-Fahrzeug oder einen klassischen Roller nimmt. Mangels Lademöglichkeit am Zielort hat er sich letzten Endes dann für einen Verbrenner entschieden.

Ab diesem Zeitpunkt war ich dann nebenbei am Recherchieren nach alternativen Fortbewegungsmitteln neben Auto und Bahn, um zu den Kunden nach Frankfurt zu kommen. Meinen eigenen kleinen Beitrag zur Verkehrswende leisten. Wenngleich ich bei dem Thema „Verkehrsmenge“ ohnehin eine etwas andere Auffassung vertrete. Neben dem Kunden in Frankfurt habe ich auch Kunden in Bad Homburg, der Lüneburger Heide, Hamburg und Lübeck. Dank Nutzung der modernen Kommunikationstechnik ist da eine persönliche Anwesenheit nur sehr, sehr selten erforderlich. Es ist immer wieder nur eine Frage, inwieweit ein Unternehmen an einer dezentralen Lösung interessiert ist. Klar, eine Krankenschwester, einen Koch, einen Bauleiter oder einen Einzelhandelsverkäufer kann man nicht virtuell besetzen. Aber einen Rechtsanwalt, einen Buchhalter, ja selbst einen Verkäufer durchaus. Und selbst bei den Berufen, die durch persönliche Anwesenheit gedeckt werden, ist es fraglich, ob man nicht die Positionen auch mit ortsnäher wohnendem Personal besetzt bekäme. Aber solch revolutionären Gedankengänge packe ich irgendwann einmal in einen eigenen Blog.

Zu Weihnachten habe ich mir dann jedenfalls quasi selbst ein Geschenk gemacht und in ein E-Bike investiert. Genauer gesagt erst einmal nur in die Anzahlung, denn die Teile haben eine Lieferzeit, wie man sie sonst nur von Autos kennt. Und das ist der Punkt, den ich weiter oben mit „vorbelastet“ ansprach. Ich habe mir vor der Kaufentscheidung im Internet eine riesige Menge an Informationen zu Fahrrad-Arten und Antriebstechniken und Erweiterungsmöglichkeiten beschafft. Und dabei auch begonnen, dem einen oder anderen YouTuber zu folgen, die mit sichtlicher Begeisterung ihre Erfahrungen und auch Rückschläge einem großen Publikum mitteilen. Auf diese Weise bekomme ich inzwischen beim Aufrufen der YouTube-Seite schon zahlreiche Videos von Menschen vorgeschlagen, die tagtäglich zwei Mal 10, 25 und auch 50 Kilometer zur Arbeit pendeln. Einige davon ganz ohne elektrische Unterstützung.

Meine wichtigste Erkenntnis dabei war: es sind gar nicht mal so wenige Menschen, die mit dem Rad zur Arbeit fahren. Es wird nur zu wenig über sie berichtet. Und wenn, dann nur in der Form, wie in dem oben erwähnten Artikel der HNA: als etwas sonderliche Exoten.

Schauen wir mal, ob demnächst in Gernsheim ein hochwertiges E-Bike zum Wiederverkauf angeboten wird. Oder ob ich auch zu solch einem Exoten werde, über den irgendwann in der Zeitung etwas steht. 🙂

Einen hoch motivierten Gruß

Euer Clark

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