Von Klischees und offenen Ansichten

„Die große Frage, die ich trotz meines dreißigjährigen Studiums der weiblichen Seele nicht zu beantworten vermag, lautet: „Was will eine Frau eigentlich?“
Sigmund Freud, österreichischer Neurologe

Männer sind anders. Frauen auch. John Gray hat diesem Phänomen ein Buch gewidmet. Und jeder kennt den Wahrheitsgehalt dieses Rätsels zwischen den Geschlechtern. Es geht nicht mit ihnen. Aber es geht auch nicht ohne. Ein Thema, das bei so ziemlich jedem Männerstammtisch zu späterer Stunde und fortgeschrittenem Getränkefüllstand mal etwas heftiger und mal ziemlich melancholisch zur Sprache kommt. Aus recht verlässlicher Quelle bekam ich zugeflüstert, dass dieses Thema bei Frauenstammtischen eine nicht minder wichtige Rolle spielt. Nur halt eben anders. Aber genau darum geht es ja.

Letztens kam ich auf einer Geburtstagsfeier unter lauter mir bis dahin vollkommen unbekannte Menschen. Die Unterhaltungen wanderten von dem klassischen Einstieg „und was machst Du so beruflich?“ über das politische Zeitgeschehen hin zum Sport. Die deutsche Sportart schlechthin, bei der – außer mir – so ziemlich jeder mitzureden können scheint, ist der Fußball. Nun fand zu der Zeit gerade die Endrunde der Damen-Fußball-WM statt. Für eingefleischte Fußballer unübersehbar ein echter Gesprächsaufhänger. Können Frauen wirklich Fußball spielen? Es wurde in unserer Runde im Laufe des Abend irgendwann die Überleitung zur trauten Zweisamkeit. Oder eben der nicht selten danach folgenden Einsamkeit.

Sucht eine Frau wirklich vorrangig einen Prinzen und Beschützer? Steckt hinter der Auswahl des „Einen“ wirklich unbewusstes Kalkül nach Beurteilung des Genpools und den Möglichkeiten, dauerhaft einen Ernährer darzustellen? Sucht umgekehrt ein Mann auf ewig nach Potential, seinen eigenen Stammbaum zu vergrößern, indem er hinter jedem Rock her ist? Oder trifft eher die Behauptung zu, dass Männer grundsätzlich zur Couch-Potato mutieren, sobald sie sich einer Beziehung sicher sind. Sicherlich trifft nicht alles auf alle zu. Aber die Tatsache, dass es sich hier um nicht tot zu kriegende Behauptungen handelt, lässt vermuten, dass es sich um einen Wissensstand handelt, der auf vielen Generationen von Durchschnittserfahrungen basiert. Vielleicht treffen die Behauptungen nicht immer zu. Meistens tun sie es dann aber eben doch. Woran mag das wohl liegen?

Ich stelle hier mal eine These in den Raum: Die biologische Programmierung der beiden Geschlechter ist auf der Zeitschiene ziemlich inkompatibel voreingestellt!

Direkt nach der Pubertät, wenn die in frühester Urzeit notwendige Vermehrungsfähigkeit einsetzt und beiderseitig eine Paarungsbereitschaft erfordert wurde, sind die Interessenslagen von Männlein und Weiblein noch ziemlich gleich getaktet. Aber schon kurz drauf im jungen Erwachsenenalter laufen die beiden Grundhaltungen doch schwer auseinander. Grob gesagt sucht der Mann als erstes die Herausforderung. Sturm und Drang, soweit das Testosteron die Hormonkammern befeuert. Von Party bis Welt erobern oder einfach nur jede Menge Mutprobe und Unsinn ist da alles drin. Der Kick von heute muss den von gestern überbieten. Die Energie muss raus. An die Zukunft denken wir später.

Anders sieht es aus beim weiblichen Geschlecht. Nest bauen. Den richtigen Begatter finden und festnageln. Die Konkurrenz ausbooten. Sesshaft werden. Nachwuchs bekommen und behüten. Alle verfügbare Kraft wird im kleinen Kreis gebraucht, um ein Fundament für das Leben zu erschaffen. Das eigene Leben, aber auch das von Kindern. Nicht ohne Grund sind Frauen meistens weit sozialer eingestellt, als die harten Kerle, denen eher Ideen für Lebensauspustegeräte durch den Kopf gehen.

Im Laufe des Älterwerdens dreht sich das Ganze dann um. Die Frau hat ihre Arbeit hinter sich gebracht. Die Kinder sind groß und aus dem Haus. Die Wohnungssituation ist gefestigt und kann mit kleinem Aufwand routiniert gepflegt werden. Für die Frau mittleren Alters heißt es nun endlich „Leinen los“ und hinaus in die große weite Welt. Jetzt startet die Party, jetzt beginnt das Leben.

Nur trifft sie da beim Mann allzu oft auf einen unerwarteten Widerstand. Der ehemals energiestrotzende Jungspund wurde zum bequemen Bierbauchträger. Die Hörner sind abgestoßen. Alles, was es zu erleben gab, wurde schon erlebt. Wenn sich das weitere Leben nun auf das Fernsehprogramm, das Abstauben der Gartenzwerge und den regelmäßigen Besuch der Stammkneipe reduziert, ist das vollkommen okay. Wenn da bloß nicht dieses quengelnde Weibstück wäre, die ununterbrochen mehr will.

Unendlich viele Witze wurden schon über die aus dieser Problematik resultierenden Konflikte gemacht. Was macht die Frau am Wohnzimmerfenster, wenn ihr Mann im Zickzack durch den Garten rennt? Besser zielen und weiter schießen.

Natürlich ist meine Darstellung ein gutes Stück weit überzeichnet. Das dient dazu, den Kern des Gedanken deutlicher sichtbar zu machen. Und natürlich gilt auch hier wie bei allem anderen im Leben auch: Ausnahmen bestätigen nur die Regel.

Statistisch gesehen gehen angeblich bis zu drei Viertel der Männer fremd. Nun stellt sich die Frage, ob denn hier nicht eventuell die Statistik von einem Menschen ausgewertet wurde, der ein bestimmtes Stimmungsbild zu erzeugen versuchte. Denn eine Frage bleibt bei genauerer Betrachtung der Aussage unbeantwortet: mit wem? Teilen die sich allesamt eine Handvoll Frauen, für die Bezeichnungen, wie „Man-Eater“ oder „Vamp“ geschaffen wurden? Oder sind es nicht vielmehr genauso drei Viertel der Frauen, die sich ganz gerne verführen lassen, in der vorwurfsvollen Analyse nur nicht weiter erwähnt werden?

Letztens saß ich auf einer Party und unterhielt mich mit einem frisch verliebten Pärchen in meinem Alter. Es waren eher die beiden, die das Thema der Zweisamkeit anschnitten. Ich selbst wollte mich in meinem aktuellen Singlestatus eher zurückhalten. Aber irgendwann kam es dann doch, wie es kommen musste, wir diskutierten die volle Bandbreite des Für und Wider. Nein, das ist nicht ganz richtig. Eigentlich gibt es kein „Wider“. Eine Beziehung, insbesondere eine durch Liebe getragene, ist etwas wundervolles. Aber auch eine langjährige Beziehung, in der vielleicht die Liebe schon ein bisschen eingerostet ist und die Partnerschaft eher auf Gewohnheit und Routine beruht, hat nahezu nur Vorteile. Insbesondere einen, dessen Wichtigkeit man gar nicht hoch genug einordnen kann: Vertrauen.

Im Laufe des Gesprächs kamen dann die Ideen für eine zweite an dieser Stelle zur Diskussion gestellte These: Keine im späteren Verlauf des Lebens eingegangene Liebesbeziehung wird jemals wieder den Tiefgang erreichen, den die davorliegende hatte. Und schon gar niemals den Status der allerersten Liebe erfahren.

Jeder Konflikt innerhalb einer Beziehung hinterlässt eine kleine Narbe. Eine Trennung, insbesondere, wenn sie nicht rechtzeitig herbeigeführt, sondern über einen langen Zeitraum verschleppt wird, reißt richtig tiefe, nur sehr oberflächlich verheilende Wunden. Diese stehen jeder späteren Beziehung im Weg. Ich greife hier auf das Gleichnis der Kaffeetasse zurück. Nehmen wir an, eine Frau gerät in jungen Jahren an einen Typen, der sich haufenweise Zucker in den Kaffee kippte und deswegen mit seinem Löffel lautstark minutenlang in der Tasse herum rührte. Genau der gleiche Typ trank auch ab und zu gerne mal einen über den Durst. Gehörte nur leider zu den unangenehmen Zeitgenossen, die im Vollrausch aggressiv werden. Nehmen wir mal an, in diesem Zustand verprügelte er seine Freundin. Nun ist die Beziehung längst beendet. Jahrzehnte sind ins Land gegangen. Unsere Protagonistin hat zahlreiche weitere Erfahrungen sammeln können, ist aber immer noch auf der Suche nach ihrem persönlichen Mr. Right. Nun lernt sie den Traumprinzen schlechthin kennen. Einen Mann, der ihr alle Wünsche von den Pupillen abliest und unsterblich in sie verliebt ist. Einen Traummann, der einfach alles für seine Traumfrau tun würde. Allerdings sitzt der Mann gerne morgens am Frühstückstisch, genießt es, die wunderschönen Erlebnisse des Abends zuvor im Geiste Revue passieren zu lassen, …während er verträumt minutenlang in seiner Kaffeetasse vor sich hin rührt.

Jetzt kann man natürlich sagen, mit ausreichender Kommunikation lässt sich verhindern, dass die gerade geschilderte Beziehung von vorne herein zum Scheitern verurteilt ist. Nur… wer kommuniziert denn in dieser Form? Kaum jemand, denn wir haben es nie gelernt. Warum bringen wir den Kindern eigentlich in der Schule nicht genau diese für solche Situationen erforderliche Kommunikationsfähigkeit näher? Wahrlich nicht nur hilfreich für das Finden des richtigen Partners für Lebensabschnitte, sondern auch für den gesellschaftlichen Umgang ganz im Allgemeinen. Aber die Schule ist ein eigenes Thema für sich. Vielleicht irgendwann mal einen eigenen Artikel hier im Blog wert.

Wenngleich die Schulzeit ja für die meisten Heranwachsenden genau die Zeit der ersten Erfahrungen und des Experimentierens ist. Das große Erforschen des jeweils anderen Geschlechtes. Das Beobachten von Verhaltensarten und Eigenschaften. Allerdings in diesem Alter meistens eher auf einen einzigen Interessenspunkt hin ausgerichtet, den berühmten Austausch von Körperflüssigkeiten. Über eine dauerhaft feste Beziehung wird da eher doch weniger nachgedacht. Warum behält man diesen lockeren Umgang mit dem Thema eigentlich nicht bei? Woher kommt der regelrecht manische Zwang, einen Partner finden zu müssen, mit dem man den ganzen Rest seiner Tage zusammen bleiben muss? Ist das wirklich biologisch so gewollt? Oder eher kulturell geprägt so anerzogen und einfach nie in Frage gestellt worden? Machen unterschiedliche Partner in unterschiedlichen Lebenssituationen bei sich verändernden Lebensinhaltsinteressen nicht wesentlich mehr Sinn? Ach ja, da war ja dann noch das Tabuthema Sex. Das darf man natürlich nur mit dem einen einzigen Partner. Ein Leben lang. Sagt eigentlich wer? Und funktioniert auch prima, wie die eingangs erwähnte Statistik ja schon darstellt. 🙂

Nun kann man in Bierlaune auf einer Party sitzend lang und ausgiebig über das Miteinander von Mann und Frau philosophieren. Ein „richtig“ wird sich da genauso wenig herausarbeiten lassen, wie eine „perfekte Beziehung“. Dazu sind Menschen einfach viel zu unterschiedlich. Und doch ist und bleibt es ein Thema, über das sich immer wieder hervorragend fachsimpeln lässt, oder etwa nicht?

Einen diskussionsanregenden Gruß 😉

Euer Clark

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